Nobbi & Caro hat geschrieben:Ich mache mir eher um den Großen sorgen. Er hat eine so starke Abneigung gegen das Lernen, das ich denke, das ich von der Schule und seiner Ausbildung nichts mehr mitbekommen werde. Er muss hier schon ziemlich angetrieben werden um überhaupt den Anschluss zu halten - wie wird das erst in Schweden. Hast du dazu eine Idee.
Danke Norbert
Hallo Norbert!
Ich komme gerade von einer Fortbildung zum Thema "Barn som utmanar" (Kinder, die [Lehrer/Eltern/Klassenkameraden] herausfordern) zurück, die heute für alle Lehrer in meinem Stadtteil gehalten wurde. Insbesondere Lernschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten waren ein großes Thema.
Ich habe den Eindruck, dass eine große Sensibilität herrscht gegenüber Schülern, die besondere Anforderungen an ihre Lernumgebung stellen. Und ganz klar war, dass eine positive Beziehung zwischen Lehrern und Schülern die Grundlage für gelungenen Unterricht und erfolgreiches Lernen ist und nicht umgekehrt, wie ich es in Deutschland oft erlebt habe ("Ist mir egal, ob die Klasse ein Mobbingproblem hat, ich hänge total im Lehrplan hinterher und muss noch unbedingt drei Kapitel bis zu den Sommerferien schaffen.")
Nun ist es in Schweden ganz schwierig, etwas allgemeines über "die Schule" zu sagen, weil die Kommunen oder private Unternehmen die Schulträger sind und darüber hinaus sehr viel Verantwortung bei den einzelnen Schulen liegt.
Ich finde es gut, dass ihr Kontakt zur Schulleiterin aufgenommen habt und die Problematik dort bereits bekannt ist. Dann wird das sicherlich auch im Kollegium besprochen werden und der/die Klassenlehrer/in ein Auge darauf haben.
An den Schulen, an denen ich unterrichte, gibt es immer ein "Elevhälsoteam" bestehend aus Psykolog/Sjuksköterska/Specialpedagog/Kurator (Schulpsychologe/Krankenschwester/Sonderpädagoge/Sozialpädagoge), die sich bei Bedarf um einzelne Schüler oder auch um ganze Klassen kümmern; außerdem haben Schüler mit einer Diagnose wie ADHS, Autismus, etc. oft persönliche Assistenten, die sie den Schultag lang begleiten.
Auch bemüht man sich hier viel um individuelle Lösungen: wenn ein Kind unter Zeitdruck seine Leistung nicht abrufen kann, dann hat es eben keine Zeitbegrenzung in einer schriftlichen Prüfung.
Wenn ein Kind Konzentrationsschwierigkeiten hat und regelmäßig die Bücher, die es für die Hausaufgaben braucht, in der Schule vergisst, dann bekommt es eben einen zweiten Satz Bücher für zuhause.
Ich will euch nicht zu viel versprechen, denn wie gesagt, das kann in jeder Kommune ein wenig anders aussehen, aber ich erlebe die Unterstützung, die die Lehrkräfte durch dieses zusätzliche Team erhält, als sehr positiv für die Kinder (und auch für uns Lehrer).
Im Vergleich mit Deutschland erlebe ich hier den Kontakt zwischen Lehrern und Eltern als deutlich enger. In D gab es an den Schulen, an denen ich unterrichtet habe, meist zwei Elternsprechnachmittage pro Jahr, die sowohl für Eltern als auch für die Lehrkräfte unglaublich anstrengend waren, weil alles an einem Nachmittag abgefertigt werden musste.
Hier ist es einfach an der Tagesordnung, dass regelmäßig "utvecklingssamtal" zwischen Lehrer, Eltern und Schüler stattfinden, d.h. die Lehrer haben immer 2-3 Elterngespräche pro Woche und wenn alle Schüler durch sind, geht es wieder von vorne los.
Wenn ihr euren Großen nicht gerade an eine Schule schickt, die nur Problemfälle hat, kann ich mir gut vorstellen, dass sein/e neue/r Klassenlehrer/in ein besonderes Auge auf ihn haben wird und er die Unterstützung bekommt, die er braucht.
Ich wünsche euch einen guten Start in Schweden und drücke euch die Daumen, dass die Kinder sich schnell einleben (und ihr euch natürlich auch)!
Viele Grüße, An.