Hallo!
Hurricane hat geschrieben:Gestern jedoch war der Tag für mich, an dem ich die erste Panikattacke schob und mich mehrfach gefragt habe : `Ist das alles richtig? Kannst Du das, schaffst Du das?`
Es war so schlimm, dass ich dachte...nur weg hier. Kennt das jemand? Vor allem ohne ersichtlichen Grund?
Ich muss zugeben, in dieser Form kenne ich das von mir nicht. Aber das liegt wahrscheinlich an meinem doch eher norddeutsch-unterkühlten Temperament.
Wenn ich allerdings an die Zeit in den 1970ern zurückdenke, als meine Eltern mit fünfköpfiger Familie (ich war mit 12 Jahren der älteste Sohn) darangingen, für ein Jahr nach England zu gehen: Da hat zumindest meine Mutter ab und zu schon Panik geschoben. Und Freunde und Verwandte - die uns zum großen Teil schlicht für verrückt erklärt haben - waren nicht unbedingt eine große Hilfe. Trotzdem haben wir es getan, und keiner von uns hat es jemals bereut!
Hurricane hat geschrieben:Ich hatte nichts, was mir gehörte, ich war in einem Hotelzimmer und als ich auf die Stadt sah, dachte ich nur : Oh Gott, es sieht fast aus wie daheim...
Von oben sehen halt viele Städte ziemlich ähnlich aus. Und eines muss man schon zugeben: Der städtebaulich wirklich schöne Teil Uppsalas ist relativ klein. Östlich des Flusses findet man doch etliche 1970er-Jahre-Bausünden, und gerade dort stehen auch die meisten Hotels, jedenfalls die erschwinglichen. (In welchem warst Du denn?)
Hurricane hat geschrieben:Die Panik schraubte sich so hoch, dass ich erstmal ewig geskypt habe und mit Freunden sprach, die alle nur das eine sagten:
"Arschbacken zusammen und hin da!" Ich denke, dass ich noch öfter so reagieren werde.
So ein Umzug ins Ausland ist natürlich ein großes Projekt. Und bei so einem großen Projekt ist es einfach unvermeidlich, dass es Schwierigkeiten gibt, dass etwas schiefgeht. Da muss man sich dann einfach durchbeißen. (Und gelegentlich auch mal herzhaft fluchen.

) Du aber hast zwei Vorteile auf Deiner Seite: Erstens die Unterstützung Deiner Freunde. Und zweitens hast Du eine wesentliche Hürde bereits genommen, nämlich den Arbeitsplatz!
Hurricane hat geschrieben:Ich bin es nicht gewohnt, mit offenen Armen und solcher Entschlossenheit, was meine Person anbelangt bzw. meine Tätigkeit, empfangen zu werden.
Sie kümmern sich dort um alles. Um Wohnraum, die Pers. Nummer, die Versicherungen etc. Ich kenne sowas nicht, hier war man immer auf sich gestellt und sich selbst überlassen und bekam überall Steine in den Weg gelegt. Ich sollte mich wirklich darauf einlassen, dass es Menschen und Arbeitgeber gibt, die mir Gutes wollen.
Auch hier eine Erfahrung aus dem Englandumzug in meiner Jugend: Wir waren gerade angekommen, vielleicht eine Stunde in der Wohnung, als es auch schon an der Tür klingelte. Die erste Nachbarin stellte sich vor, hieß uns willkommen, lud uns zum Tee (Natürlich! England!

) ein, und sagte, dass wir jederzeit kommen könnten, wenn wir irgendwelche Hilfe bräuchten. Eine halbe Stunde später kamen die Nachbarn von der anderen Seite, genau das Gleiche!
Unglaubliche Hilfsbereitschaft kam auch von den Arbeitskollegen meines Vaters: Unsere deutsche (und völlig inkompetente) Spedition hatte uns dazu genötigt, um unsere sämtlichen Umzugskisten herum eine riesige Holzkiste bauen zu lassen. Diese Holzkiste blieb dann einige Wochen verschollen, so dass wir aus den Koffern leben mussten (Und natürlich etliche Kostproben typisch englischen Humors erhielten, so wie:
"Ich habe Verwandte an der Küste. Die werden Ausschau halten, ob etwas angeschwemmt wird." 
) Schließlich tauchte die Kiste in einem Lagerhaus einer anderen Spedition im Osten Londons - damals war das noch richtiges Hafengebiet und kein Yuppie-Quartier wie heute - wieder auf. Selbige Spedition sah sich aber nicht in der Lage, die Kiste zu uns in den Westen Londons zu transportieren. (Lediglich eine Rechnung schreiben für die Lagerung, das konnten sie.) Am nächsten Tag kam der Chef meines Vaters zu ihm und sagte: "Wir haben für morgen einen LKW mit Fahrer organisiert. Du arbeitest morgen nicht, sondern fährst mit ihm hin und holst die Kiste ab." So geschah es dann auch. Und kaum war der LKW bei uns zu Hause angekommen, tauchten auch noch etliche Kollegen auf und fingen an, auszuladen.
Ähnliche Hilfsbereitschaft haben wir auch bei allen unseren weiteren Auslandsumzügen erlebt, einschließlich dem jetzt nach Schweden. Ich habe inzwischen stark das Gefühl, dass dies eher der Normalfall ist und lediglich Deutschland eine unangenehme Ausnahme darstellt.
Also Kopf hoch, Du wirst das schon schaffen!
MfG
Gerhard