Selbstmord - ein unterschätztes Problem

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svenska-nyheter
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Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von svenska-nyheter »

Jedes Jahr sterben in Schweden mehr Menschen durch Selbstmord als im Straβenverkehr. Jeweils an die 1.500 Menschen setzen ihrem Leben selbst ein Ende. Die Zahl der Selbstmorde ist in dien vergangenen Jahren zwar insgesamt gesunken. Für die Altersgruppe der 13-17-Jährigen trifft das allerdings nicht zu. Jede Woche stirbt ein Jugendlicher durch Selbstmord. Selbstmord galt lange als Tabuthema, das hat sich geändert. Im nordschwedischen Piteå haben sich nun Forscher und Angehörige getroffen, um über Möglichkeiten der Vorbeugung zu sprechen.
>>ganzer Artikel
(Mit freundlicher Genehmigung von Radio Schweden)

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Sassi
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von Sassi »

Woran liegt das? An der Dunkelheit?

Rwitha
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von Rwitha »

Sassi hat geschrieben:Woran liegt das? An der Dunkelheit?
Das glaube ich nicht. Es ist sicher ähnlich wie hier in D.

Bei Wiki steht dazu folgendes:
Im Durchschnitt sterben in Deutschland jährlich zwischen 11.000 und 12.000 Menschen durch Suizid (etwa 14 je 100.000 Einwohner), wobei zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Diese Zahl entspricht ca. 1,3 Prozent aller Todesfälle und übersteigt damit die Anzahl der Verkehrstoten (5.362 Todesopfer im Jahr 2005) bei weitem. In der Altersgruppe der 15- bis 35-Jährigen ist der Suizid nach dem Unfalltod die zweithäufigste Todesursache. Allerdings ist die verbreitete Annahme, dass Suizid in dieser Altersgruppe besonders häufig verübt wird, ein Trugschluss, denn Suizid ist in dieser Altersklasse neben Mord und Unfall aufgrund der weniger häufigen Krankheiten die nahezu einzig mögliche Todesursache.
Es kommt immer anders .... wenn man denkt *-:)

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amarok
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von amarok »

Da es hier im Forum auch weitläufig um den Norden insgesamt geht, möchte ich zu diesem Thema auf die Problematik der hohen Selbstmordrate bei jungen Inuit hinweisen.

Hohe Selbstmordrate unter den jungen Inuit:

"Die Jugendlichen haben keine Wünsche für ihre Zukunft", sagt Kirsten Berngaard. Die 57-Jährige kam vor zwei Jahren aus der Nähe von Kopenhagen nach Tasiiliaq und ist seitdem die einzige Psychiaterin an der gesamten Ostküste mit ihren 4000 Einwohnern in den verstreuten Siedlungen. In den Gesprächen muss sie auf einen Dolmetscher zurückgreifen, Grönländisch beherrscht Berngaard nicht. Die hohe Selbstmordrate unter den jungen Inuit ist ihre Herausforderung. Für Ammasalik werde die zweithöchste Rate weltweit verzeichnet, beklagt Berngaard. Im vergangen Jahr waren es neun, 2006 fünf Selbstmörder. Allein im ersten Vierteljahr 2008 haben in Tasiilaq zwei junge Menschen Suizid begangen. Nur in einer Inuitregion im Norden Kanadas sei die Rate noch höher. Ein angehender italienischer Anthropologe, der vor Ort Recherchen für sein Examen macht, sagt: "Auch hier ist 'Dritte Welt' - nicht nur in Afrika."

Im überbordenden Alkoholkonsum, fehlendem Verantwortungsbewusstsein bei der Erziehung und Jobmangel sieht Berngaard die Hauptursachen für die Situation. Dem Aufarbeiten von seelischen Problemen - etwa nach sexuellem Missbrauch - stehe im Wege, dass die Inuit sehr wortkarg seien und nie gelernt hätten, über ihre Gefühle zu reden. "Sie können in der Runde zusammensitzen und eine halbe Stunde kein Wort verlieren", sagt Berngaard. In der Erziehung vermisst die Psychiaterin "klare Vorgaben". Alles werde den Kindern erlaubt: Und wenn sie wegen der Ausbildung das Elternhaus verließen, plage sie Heimweh.

Für Bürgermeister Paulus ist das ein besonders schweres Thema. "Ja, natürlich sind Selbstmorde ein Problem." Später erfahren wir, dass auch die Larsens vor acht Jahren einen Sohn verloren haben. Auf Berngaards und Mikaelsens Initiative hin treffen sich rund 30 als gefährdet eingestufte Kinder zweimal wöchentlich in der Schule in Tasiilaq und kochen, reden, unternehmen Boots- oder Hundeschlittentouren. Ein Schlüssel zu einem besseren Leben könnte im Tourismus liegen, sagt der Däne Anders Stenbakken vom örtlichen Tourismusbüro.

Der Hundeschlittenführerschein, wie ihn Mikaelsen als bislang einziger anbietet, ist ein Teil davon. Ein anderer ist die Unterbringung in einer einheimischen Familie. Auch die Larsens in Tiniteqilaaq haben sich zu diesem Schritt entschlossen und lassen ihre Gäste gegen Geld Grönland aus der Sicht einer Inuitfamilie betrachten. "Für eine Zeit verkaufen sie ihr privates Leben", Stenbakken ist sich dessen bewusst. Aber der Tourismus ist eine der wenigen Chancen, die sich "Tunu" bietet. "Tunu" nennen die Inuit Ostgrönland. Es bedeutet: Die Rückseite des Landes. Thomasine wird sie wohl nicht mehr verlassen."

Quelle: http://www.welt.de/reise/article1930653 ... =1&pbpnr=0

Wenn man einem indigenen Volk seine Wurzeln nimmt (soziale, wirtschaftliche, geistige, kulturelle ...), dann ist sicherlich vor allem auch darin eine Ursache zu suchen.
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tjejen
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von tjejen »

Auch interessant und zu bedenken ist, dass die Medien nicht darüber berichten (dürfen?), wenn sich jemand umgebracht hat. Aus Angst vor Nachahmern.

Neulich wurde grossflächig darüber berichtet, dass ein junger Mann durch das Glasdach eines Einkaufszentrum gefallen ist. Es wurde spektakuliert ob es sich um einen Unfall oder ein Verbrechen handelte. 2 Tage später wurde überhaupt nichts mehr berichtet.

Auch sonst wird das Thema nur selten aufgegriffen. Ich denke, dass es durchaus auch mit der schwedischen "du-musst-es-alleine-bewältigen"-Mentalität zusammenhängt ...

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Sápmi
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von Sápmi »

@amarok: So was ähnliches hatte ich mal vor ein paar Jahren im Spiegel gelesen. Der Artikel hieß "Das Dorf der toten Kinderseelen", ist aber nicht mehr (vollständig) im Netz.
"Keiner, der nur einen Sommer Lapplands Sonne trank, kann anderswo glücklich sein."
(aus A.O. Schwede: Lars Levi Laestadius - Der Lappenprophet)

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amarok
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von amarok »

@ Sápmi:
Das Selbstmord-Problem bei den Inuits, ist mir durch mehrere Fernsehreportagen bewusst geworden. Hat mich natürlich sehr berührt, weil ein Junge (13 oder 14 Jahre alt), der darin eine "Hauptrolle" spielte, sich später auch das Leben genommen hat.
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Krümel7
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von Krümel7 »

@ amarok,

genau diese sendung habe ich auch gesehen. Vor kurzem habe ich das Buch " Wer die Kälte liebt" gelesen. Der Autor hat sich als ARD-Korrespondet 5 Jahre im Norden, hauptsächlich in Schweden, aufgehalten und über seine Erlebnisse ein Buch verfasst.
Er hat u.a. auch beschrieben, dass den Innuit das Land mit den guten Jagdgründen genommen wurde, da die USA dort einen großen Militärstützpunkt gebaut haben. Die Innuit mussten dann viel weiter wegziehen, in ein Gebiet, in dem ihnen ihre herrkömmlich Lebensweise kein eigenes Auskommen mehr geährleistete. Die Klimaveränderung tut ihr Übriges.
Ich vermute auch, dass der Konflikt der jungen Leute in der Konfrontation mit den 2 völlig verschiedenen Welten sehr schwierig ist :cry:
Krümel

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amarok
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Re: Selbstmord - ein unterschätztes Problem

Beitrag von amarok »

Krümel7 hat geschrieben:@ amarok,

genau diese sendung habe ich auch gesehen. Vor kurzem habe ich das Buch " Wer die Kälte liebt" gelesen. Der Autor hat sich als ARD-Korrespondet 5 Jahre im Norden, hauptsächlich in Schweden, aufgehalten und über seine Erlebnisse ein Buch verfasst.
Er hat u.a. auch beschrieben, dass den Innuit das Land mit den guten Jagdgründen genommen wurde, da die USA dort einen großen Militärstützpunkt gebaut haben. Die Innuit mussten dann viel weiter wegziehen, in ein Gebiet, in dem ihnen ihre herrkömmlich Lebensweise kein eigenes Auskommen mehr geährleistete. Die Klimaveränderung tut ihr Übriges.
Ich vermute auch, dass der Konflikt der jungen Leute in der Konfrontation mit den 2 völlig verschiedenen Welten sehr schwierig ist :cry:
Krümel
Hej Krümel7,

danke für Deine Informationen und den Buchtipp.

Viele Grüße

Peter
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