Fast ein halbes Jahr neue Regierung

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glada

Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von glada »

Ich meinte dabei das Ergebnis der sd bei der letzten Reichtagswahl. Zum Vergleich: bei der Bundestagswahl 2005 erreichte die NPD 1,6%, das Ergebnis spricht also nicht unbedingt für Schweden. Aber jetzt werde ich wirklich zu politisch... :oops:

Oliver

jörgT
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Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von jörgT »

In Realzahlen sind aber die 2,9% in Schweden deutlich weniger als die 1,6% in Deutschland ...
Verzeih Oliver, auch ich möchte mich zu dem Thema nicht äussern. Mich interessiert aber auch die Politik in Berlin nicht - mit Deutschland bin ich fertig! :!:
Die Schweden waren Persson-müde und wollten einen Personalwechsel, bekommen haben sie einen Systemwechsel, wie es so schön in einem Kommentar in dn stand.
Jörg :wink:

glada

Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von glada »

In Realzahlen sind aber die 2,9% in Schweden deutlich weniger als die 1,6% in Deutschland ...
... und die 98,4% Demokraten deutlich mehr als die 97,1%.

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, ich bin nicht aus Deutschland weggezogen, weil ich frustriert war, sondern weil ich/wir was neues ausprobieren wollte. Aber ich denke, die Diskussion brauchen wir nicht wieder zu führen.
Ich habe mich auch nur deshalb dazu geäußert, weil ich vermeiden möchte, dass hier im Forum ein Bild von Schweden entsteht, in dem im Vergleich zu Deutschland vieles nahezu als paradiesisch beschrieben wird. Manches ist sicherlich besser, anderes schlechter, es kommt auf die eigene Mentalität und die eigenen Bedürfnisse an.

Oliver

jörgT
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Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von jörgT »

Das kann ich unterschreiben ...
Jörg :goodman:

Peter i Klackbua

Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von Peter i Klackbua »

Auf "blåsippans väg" sind tatsächlich schon viele unterwegs - und der Wahlkampf mit dem motto "inte gnälla - rösta!" ist ja offensichtlich aufgegangen.
Ob´s nun die nackten Zahlen machen? Ich denke für die spürbare Stimmung im Land sind doch eher die Prozente vor Ort ausschlaggebend.

Ich denke wir haben es hier mit einem Generationsproblem zu tun. Trotz medialer Dauerbeschwörung von Volkshem und political corectness sehen einfach viele dass die materielle Realität völlig an ihnen vorbeimarschiert.
Sie sehen einerseits dass die Wohlstandsschere in Schweden schon ganz gut geöffnet ist - und sie die Modernisierungsverlierer dabei sind...

Das ist halt gerade die gesellschaftliche Crux - die Bessergestellten möchen auch was von dem Mehr an Leistung haben, das sie an Arbeit tatsächlich abliefern - und wenn´s folglich weniger zu Verteilen gibt bricht unten der Sozialneid aus.
Das politische Problem hierbei ist ja dass beide unzufriedenen Gruppen derzeit nach rechts schielen (wenn auch unterschiedlich weit).
Precis lagom in bester Sosse-Tradition ist ja eigentlich nur die Generation die jetzt gerade in Richtung kyrkogård marschiert.

Also ich denke schon dass gerade Ausländer dazu neigen die Sache etwas zu rosarot zu sehen. In diesem Zusammenhang lohnt auch ein Blick auf die Schulhöfe - die Mobbingsituation kann man eben nicht in beruhigende Relation zur bescheidenen Größe der Gemeinden stellen - man kann sie längst unter dem Gesichtspunkt der Zentralität der betroffenen Ortschaft mit Deutschland vergleichen.
Damit will ich sagen: Die Probleme die in Deutschland weit jenseits der 100.000 Einwohner anfangen - treten in schweden bereits bei 20.000 Einwohnern auf.

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Skogstroll
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Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von Skogstroll »

Den Rechtsextremismus in Schweden sollte man nicht unterschätzen, er hat eine lange und ziemlich ungebrochene Tradition. Schon während des 2. Weltkrieges gab es ziemlich offene Sympathien für Deutschland, und über die Inlandsbahn wurden deutsche Soldaten nach Narvik verfrachtet, während deutsche Juden abgewiesen wurden. So furchtbar weit her war es mit der Neutralität eher nicht.
Wer's noch nicht gelesen haben sollte: Henning Mankell schreibt in "Die Rückkehr des Tanzlehrers" (Danslärarens återkomst) einiges zum Thema, und obwohl das Buch als fiktiver Krimi daherkommt, ist die Beschreibung durchaus nicht unrealistisch.
Gerade in Skåne dürfen die SD in diversen Kommunen nun das Zünglein an der Waage spielen, was auch mal zu unfreiwilliger Komik führt. In einer skånischen Gemeinde (ich weiss leider nicht mehr in welcher) hat SD wohl aus purem Trotz gegen den bürgerlichen und für den (oppositionellen) sozialdemokratischen Haushaltsentwurf gestimmt, mit dem Ergebnis, dass die Allianz nun mit dem sozialdemokratischen Haushalt regieren muss.
Die letzte Wahl war insofern schon eine Protestwahl, als viele den patriarchischen Persson einfach nicht mehr sehen konnten. Ob der Erfolg der Rechten auch dahin eingeordnet werden kann bezweifle ich, aber die nächste Wahl wird es zeigen.
Was sich mit der Wahl für mich geändert hat? Ich zahle tatsächlich weniger Steuern. Der Gewinn wird aber mehr als aufgegessen durch das, was ich jetzt mehr in die A-kassa einzahle. Unterm Strich also ein Minus, es sei denn, ich kündige die A-kassa und am besten SIF (die Gewerkschaft) gleich mit. Was der Sinn dieser Übung von Reinfeldt & Co sein dürfte.
Was weiterhin gegen diese Regierung spricht, ist die zunehmende Aufweichung des ohnehin nicht so ausgeprägten Umwelt- und Naturschutzes. Wir dürfen gespannt sein, wann der letzte Fluss ausgebaut wird und wann wieder neue Kernkraftwerke entstehen.
Nein, die Politik in Stockholm ist mir durchaus nicht egal. Sie betrifft mich einfach viel direkter als das Berliner Theater. Über das kann ich nun wirklich unbeschwert lachen.

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Peter i Klackbua

Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von Peter i Klackbua »

Ich weis nicht - eine Parallele bzw. Verbindung zwischen der "Tyskvänlighet" der 1930iger und den SD würde ich nicht ziehen wollen.

Ersteres war in Schweden ein Zeitgeistphänomen - wie es das ja vor dem Krieg sogar in den USA und England gab. In Schweden kippte die Stimmung ja auch schon mit dem Überfall auf Norwegen. Die etwas "weiche Neutralität" zu Gunsten der Achsenmächte war ja auch nicht viel mehr als die Erkenntnis dass die Alternative Besatzung geheissen hätte. Den Zustand der Werhmacht Schwedens zur damaligen Zeit mag man nur einmal an den Uniformen ablesen... Schweden hatte ja sogar mit englischer Hilfe gegengerüstet - Die Militärgüter kamen über Nordfinnland und über die zugefrohrene Ostsee - möglichst heimlich und nur bei Nacht, damit´s die Deutschen nicht sehen.

Die aktuelle Rechte ist ja doch nur ein Sammelbecken der wortgewaltigen Nörgler - die sich allgemeiner Gefühle (incl. blå och gul) bedienen - und natürlich auch vor den Ängsten nicht Halt machen, die anderenorts ja genauso an- bzw. ausgespielt werden.

nobse

Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von nobse »

Na Leute , da haben die Politiker ja das erreicht was sie wollten. Der kleine Mann schlägt sich die Birne ein und ist abgelenkt von dem Wichtigen.

Zur Demokratie . Eine solche kann nie funktionieren , und Marx hat sein Manifest auch mit vollem Bauch geschrieben.

Habt ihr schon einen Weihnachtsbaum?

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Skogstroll
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Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von Skogstroll »

Peter i Klackbua hat geschrieben:Ich weis nicht - eine Parallele bzw. Verbindung zwischen der "Tyskvänlighet" der 1930iger und den SD würde ich nicht ziehen wollen.

Ersteres war in Schweden ein Zeitgeistphänomen - wie es das ja vor dem Krieg sogar in den USA und England gab. In Schweden kippte die Stimmung ja auch schon mit dem Überfall auf Norwegen.
Na ja, nicht ganz. Nicht so ganz wenige Schweden haben sich einen deutschen Einmarsch a la Norwegen durchaus gewünscht.
Allerdings gebe ich dir in einem Punkt uneingeschränkt recht: Die SD hat ihre Erfolge mit viel billigem Populismus erreicht, man kennt das ja auch woanders. Insofern ist der Vergleich zu den 30-ern und 40-ern sicher nicht 100%-ig korrekt. Die damalige Stimmung aber nur dem "Zeitgeist" (wer immer das sein mag) zuzuschreiben, erscheint mir riskant.

Skogstroll

Peter i Klackbua

Re: Fast ein halbes Jahr neue Regierung

Beitrag von Peter i Klackbua »

Ich wollte auch nicht verharmlosen... ;)

Ich wollte auch eher darauf hinaus dass den heutigen Protestparteien eigentlich das in der Vergangeheit entscheidende Moment fehlt: Sie haben keine feste weltanschauliche Grundlage.

Ob sich viele Schweden einen Einmarsch der Deutschen gewünscht haben glaube ich weniger. Man beneidete Deutschland - insbesondere nach der Olympiade 1936. Man wünschte sich vielleicht ein ähnliches Systhem im eigenen Land - vielleicht ja auch nur weil man das Gefühl hatte im Norden den Anschluss an die Moderne zu verlieren. Da schwingte sicher auch noch die noch gegenwärtige Enttäuschung wegen der gescheiterten Union mit Norwegen mit.

Ja - Einzelne sind natürlich den Nazis hinterhergelaufen - haben wie viele in SS-Freiwilligenbataillonen am Kampf gegen den Kommunismus teilgenommen. Etwa so wie ein paar Jahre zuvor Freiwillig aller Herren Länder auf der einen oder anderen Seite im spanischen Bürgerkrieg gekämpft haben.

Damals ging es eigentlich um die Frage: Ist der Kommunismus unser Untergang oder unsere Rettung.

Heute fehlt den Protestparteien diese oder eine ähnliche weltanschauliche Grundeinstellung. Heute wird gegen das bestehende eigene Systhem gewettert - "die da oben" - die alles falsch machen - vor allem jene Sachen, die dem kleinen Mann gerade auf den Fingern zu brennen scheinen.
Ja genau - billigster Populismus - aber ohne klare weltanschauliche Dimension.

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