Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

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unbekannt

Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von unbekannt »

Hallo zusammen,

mit teilweise etwas Kopfschütteln habe ich die Diskussion über das schwedische Schulwesen verfolgt. Man bekommt ja fast den Eindruck die deutschen Kinder würden in Schweden verblöden. Geht man auf http://de.wikipedia.org/wiki/Schwedisch ... ungssystem und schaut sich die Zahlen der PISA-Studie von 2006 an, dann sind Deutschland und Schweden auf fast dem gleichen Niveau. Es klappt offenbar auch ohne Schulnoten und Sitzenbleiben ganz ordentlich. Ich bin mit einem schwedischen Lehrer gut befreundet. Nach ihm scheinen Leistungsmotivation und Disziplin der schwedischen Schüler allerdings im Sinken begriffen. Deshalb seien einige Kollegen für eine Wiedereinführung der Schulnoten auch in den unteren Klassen - dies allerdings nur zur Leistungskontrolle. An ein Sitzenbleiben wie in Deutschland käme niemand auf den Gedanken. Im Großen und Ganzen will man natürlich das schwedische Ausbildungssystem beibehalten.

Wer Sehnsucht nach dem deutschen Schulsystem hat, dem empfehle ich mal folgendes Gedankenspiel und stelle sich vor, in Schweden ginge es wie an den hochgelobten Schulen Baden-Württembergs oder Bayerns zu:

Mal angenommen, das deutsche Kind wird in Schweden in die dritte Klasse eingeschult. Es kann natürlich noch kein Wort Schwedisch und einen extra Schwedisch-Unterricht gibt es nicht. In vielen Fächern kommt das Kind deshalb erst einmal nicht so richtig mit, obwohl es relativ schnell die Sprache annimmt. Kaum hat sich das Kind im Klassenverband integriert, steht höchstwahrscheinlich die Versetzung in die nächste Klasse auf dem Spiel. Das Sitzenbleiben kann vielleicht mit intensiver Diskussion der Schulleitung abgewendet werden. Dafür bekommt das Kind Nachmittags auf Kosten der Eltern Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenhilfe in Schwedisch und vielleicht noch ein paar anderen Fächern. Das geht dann richtig ins Geld und das Kind hat irgendwie das Gefühl, es sei blöd oder bekommt vielleicht Schuldgefühle. Jedenfalls sind dann alle ziemlich genervt. Und wenn ein Schüler erst einmal davon überzeugt ist, dass er blöd sei, dann gehen die Leistungen richtig runter.

Nun gehts weiter. Angenommen Schweden hätte wie Deutschland das dreigliedrige Schulsystem. Nach der 4. Klasse werden im zarten Alter von 10 Jahren die Weichen für das gesamte Leben gestellt. Da muss das Kind jetzt natürlich richtig Nachmittags rangenommen werden, damit es wenigstens vom Abstellgleis Volkschule verschont bleibt, wo sich fast alle Einwanderer-Kinder befinden, die danach keine Chance auf Ausbildung haben. Nicht nur deshalb sprießen in Schweden Nachhilfe-Schulen wie Pilze aus dem Boden, damit das Kind standesgemäß auf die Realschule oder auf das Gymnasium kommt. Und dann der Stress, wenn die Kinder irgendwann um 12 oder 13 Uhr nach Hause kommen und was zu Essen haben wollen. Wann sie nach Hause kommen, ist ja auch nicht so sicher, da ja immer wieder Stunden ausfallen. Ansonsten hängen die Kids schon nachmittags vor der Glotze oder vertreiben sich die Zeit mit idiotischen PC-Spielen. Um so schneller wird dadurch der Schulsstoff vergessen.

Dann noch das Stichwort Turbo-Abitur. Da wird in zwei Jahren viel gelernt aber wenig verstanden. Für Bildung im eigentlichen Sinne ist keine Zeit und kein Geld da. Aber was bekanntlich hart macht, ist auch gut. So verkauft man Einsparungen im Bildungssystem.

Übrigens wurde das deutsche dreigliedrige Schulsystem von der UNESCO kritisiert, da der Schulerfolg hauptsächlich von der sozialen Herkunft abhängt ( siehe zum Beispiel http://www.handelsblatt.com/politik/deu ... tem;697139 ). Durch dieses fast einmalige Dreiklassensystem erklärt sich auch die extrem hohe Varianz der deutschen Schülerleistungen laut PISA-Studie (Deutschland: 66,2, Schweden: 11,5). Anders gesagt werden im deutschen Schulsystem schwache Schüler noch mehr demotiviert, wovon die guten Schüler nur scheinbar profitieren, denn sie sind eigentlich gar nicht so gut, wie sie sich es einbilden. Das deutsche Schulsystem kann mir gestohlen bleiben.

Mein Fazit: Ein bisschen mehr Stresstoleranz, Leistungsmotivation und Disziplin wünsche im mir an schwedischen Schulen auch, womit ich die Meinung vieler Schweden teile. Aber man sollte gerade als Einwanderer froh sein, dass Schweden ein gutes Schulsystem hat, dass sich um die Integration seiner Einwanderer-Kinder kümmert.

nysn

Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von nysn »

... das schwedische Schulsystem kenne ich nun aus allernächster Nähe.
Mein Sohn geht hier in die 8. Klasse und war bisher nur auf schwedischen Schulen.

Wir wären gerne nach Deutschland zurückgezogen (Baden-Württemberg oder Bayern) - wir haben das mittlerweile auf Eis gelegt, weil mein Sohn mit seinem bisherigen, in der schwedischen Grundschule erworbenen Wissen - und zwar in den wichtigen Fächern wie Mathe, Physik, Chemie, Biologie - nicht auf ein deutsches Gymnasium gehen könnte - auch nicht mehr Realschule. Ihm fehlt einfach zu viel Stoff und müsste ungefähr 2 Klassen zurückgestuft werden.

Man hat in Schweden mittlerweile auch erkannt, dass es hier ein Problem gibt - die schwedischen Schüler sind im internationalen Vergleich ziemlich abgefallen. In der neuesten PISA-Studie liegen sie im unteren Mittelfeld. Bayern/B-W und Sachsen liegen - soweit ich mich erinnern kann - ziemlich direkt hinter Finnland (Platz 1).

Aber es gibt Hoffnung - hier Zitat aus der heutigen GP:
"Regeringen satsar miljoner på matte"

"Om Sverige ska överleva som framgångsrik industrination på 2000-talet måste vi höja resultaten i matematik, naturvetenskap och teknik", sade utbildningsminister Jan Björklund när han presenterade regeringens satsning.

I år avsätts 125 miljoner kronor och sammanlagt blir det 525 miljoner kronor under de tre åren 2009-2011.
S-nina

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Aelve
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Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von Aelve »

Lieber Volker,

Dein posting geht mir runter wie Öl. Du schilderst das Szenarium genau richtig, denn so sieht es an Deutschlands Schulen nämlich aus und wir hatten das Pech, unsere Kinder genau diesem unmenschlichen System aussetzen zu müssen. Mich beschleicht schon länger die Vermutung, dass diejenigen, die hier Angst haben, ihre Kinder würden in Schweden nicht genügend lernen, sich aber gehörig umschauen würden, wenn das schwedische System auf deutsche Verhältnisse umgestellt werden würden. Solange die Kinder jetzt aufgrund Schwedischunterricht und zusätzlicher Förderung gut zurecht kommen, kann man getrost denken, dass sie unterfordert seien.

Wir sind wirklich sehr an Bildung interessiert, ich war 10 Jahre ehrenamtlich im Legasthenieverband tätig und weiß deshalb, welche harten Schicksale und welche verkorksten Schulkarrieren Kinder durchlaufen mußten, weil sie nicht in das Raster paßten. Egal ob unterfordert oder überfordert, ihnen wurde eingeimpft, dass sie zu dumm wären, um später mal erfolgreich die Schule abschließen zu können. Und es ist wie Du sagst, wenn man Kindern laufend sagt, sie können nichts, dann glauben sie selber daran, ich habe genug zu tun gehabt, das verlorene Selbstbewußtsein unserer Kinder wieder aufzubauen, was Tag für Tag an den öffentlichen Schulen wieder zertrampelt wurde. Unser Sohn mußte sogar zur Kur nach Murnau, wo ihm klargemacht wurde, dass nicht er schlecht kapiert, sondern dass die Lehrkräfte eine falsche Lehrmethode anwende, wodurch er dann Rechtschreibprobleme bekam.
Mir ist ein gesundes Selbstbewußtsein meines Kinders mehr wert als dass ich mir einen Duckmäuser heranziehe oder jemanden, der kein Rückgrat hat.
Und ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass wir uns nicht haben krummbiegen lassen, denn wir haben lieber Schulkosten bezahlt, als dass unsere Kinder länger unter einem desolaten Schulsystem leiden mußten. Das Aussortieren in der 4. Klasse halte ich auch für sehr schlecht, denn gerade Jungen sind oft Spätzünder, mit 10 und 11 Jahren sind sie eben noch sehr verspielt. Ihnen dadurch alle Berufschancen zu nehmen, nur weil die Lehrkraft meint, sie auf eine Hauptschule schicken zu müssen, ist für mich geradezu sträflich nachlässig. Denn inzwischen sieht es an deutschen Schulen so aus, dass mehr Mädchen die Möglichkeit haben, ein Abitur ablegen zu können, denn die Jungen waren in dem besagten Alter einfach noch nicht so weit. Geht man davon aus, dass an den Grundschulen meistens Lehrerinnen arbeiten, die Mädchen bevorzugen, dann weiß man, woher dieses Dilemma kommt.
Ich bin mehr als froh, dass ich mich nicht habe irritieren lassen, aber viele Eltern vertrauen auf die Lehrkräfte und ausbaden müssen das die Kinder, die dann mit Hauptschule keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.

Liebe Grüße Aelve
Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.
( Goethe)
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kukurz
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Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von kukurz »

Wir wären gerne nach Deutschland zurückgezogen (Baden-Württemberg oder Bayern) - wir haben das mittlerweile auf Eis gelegt, weil mein Sohn mit seinem bisherigen, in der schwedischen Grundschule erworbenen Wissen - und zwar in den wichtigen Fächern wie Mathe, Physik, Chemie, Biologie - nicht auf ein deutsches Gymnasium gehen könnte - auch nicht mehr Realschule. Ihm fehlt einfach zu viel Stoff und müsste ungefähr 2 Klassen zurückgestuft werden.

Man hat in Schweden mittlerweile auch erkannt, dass es hier ein Problem gibt - die schwedischen Schüler sind im internationalen Vergleich ziemlich abgefallen. In der neuesten PISA-Studie liegen sie im unteren Mittelfeld. Bayern/B-W und Sachsen liegen - soweit ich mich erinnern kann - ziemlich direkt hinter Finnland (Platz 1).

Aber es gibt Hoffnung - hier Zitat aus der heutigen GP:

"Om Sverige ska överleva som framgångsrik industrination på 2000-talet måste vi höja resultaten i matematik, naturvetenskap och teknik", sade utbildningsminister Jan Björklund när han presenterade regeringens satsning.

....

Die Frage ist ja auch, ob das Wissen, das Deinem Sohn möglicherweise fehlt, allgemein betrachtet unbedingt notwendig ist und welchen Stoff er stattdessen erlernt hat. Möglicherweise lernen Kinder in Deutschland mehr, aber lernen sie für´s Leben (wie es so schön heisst) oder häufen sie nur Wissen an, dass sie nicht anwenden können, beziehungsweise: lernen sie nur auswendig und vergessen dann das Erlernte? So wie ich in meiner Schulzeit.

Diese Pisastudien sind ja schön und gut, aber wenn ich dann sehe, dass zum Beispiel Japan, China und Taiwan mit ihrem System so weit vorne liegen, nein danke. Die Vorteile im finnischen System sind ja wiederum teilweise solche, die die deutsche Gesellschaft ja nicht will und die von Einwanderern eher kritisiert als gelobt werden. Wie ich meinen Kindern ständig unter die Nase reibe: Man kann halt nicht alles haben.

Nebenbei liegt es ja nicht nur am Geld. Meine Kinder hatten in der Grundschule den besten Mathematiklehrer der Kommune (ein Einwanderer), der ihnen nicht nur sehr viel beibrachte, sondern (und das vor allem!) ihnen den Respekt vor dem Fach nahm und stattdessen ihre Begeisterung weckte.

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amarok
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Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von amarok »

Hej,

ich lese gerade "Nobels Testament" von Liza Marklund. Daraus bringe ich mal folgendes Zitat mit einer vorgehenden Situationsbeschreibung zum Verständnis: Die Hauptakteurin des Buches, Annika Bengtzon, ist Journalistin beim Stockholmer "Abendblatt". Die Organisation der Zeitung wurde komplett umstrukturiert, so dass z.B. den Journalisten kein Arbeitsplatz mehr in den Readaktionsräumen zur Verfügung steht und sie ihre Arbeit zum großen Teil mit dem Laptop von ... (zu Hause) aus erledigen sollen. Annika Bengtzon beurteilt/vergleicht diesen Umstand folgendermaßen "Das hier ist wie im Gymnasium, als die Bildungspolitik die lehrerfreie Gruppenarbeit außerhalb des Klassenzimmers erfand, dachte sie. Wertlos und saubillig."
Gab/gibt es diese "lehrerfreie Gruppenarbeit" an schwedischen Schulen?
Von Deutschland kenne ich so etwas ähnliches. SOL = Selbst-Organisiertes-Lernen. Die Schüler erhalten am Schuljahresanfang Arbeitsaufträge zu bestimmten Themen mit einem vorgegebenen Stundenumfang, die sie in Ausfallstunden erfüllen sollen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dabei auch nur selten etwas heraus kommt. Der eigentliche Zweck liegt hauptsächlich in der Kompensation von Ausfallstunden.
Der Wald lebt, er kann atmen und sprechen und erzählt die Sage von der Urmutter allen Lebens. (jakutisch)

nysn

Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von nysn »

Die Frage ist ja auch, ob das Wissen, das Deinem Sohn möglicherweise fehlt, allgemein betrachtet unbedingt notwendig ist und welchen Stoff er stattdessen erlernt hat.
Leider ist es in unserem Fall ja nicht "die Allgemeinheit", die das Wissen fordert. Es sind ja die deutschen Schulen, die ein Grundwissen voraussetzen, damit die Kinder dort aufgenommen werden. In unserem Fall könnte er zwar auf ein Gymnasium/Realschule gehen - würde dann eben zurückgestuft werden.

Ich bin auch nicht nur negativ eingestellt gegenüber der schwedischen Schule. Ich bin selbst erstaunt darüber, dass es tatsächlich solche Unterschiede gibt. Bei Kindern, die aus Deutschland oder Österreich nach Schweden kommen, fällt es ja auch auf, wie weit die den anderen "voraus" sind.

Außerdem hoffe ich noch auf das schwedische Gymnasium - dass dort dann eben "aufgeholt" wird.
Annika Bengtzon beurteilt/vergleicht diesen Umstand folgendermaßen "Das hier ist wie im Gymnasium, als die Bildungspolitik die lehrerfreie Gruppenarbeit außerhalb des Klassenzimmers erfand, dachte sie. Wertlos und saubillig." Gab/gibt es diese "lehrerfreie Gruppenarbeit" an schwedischen Schulen?
In Schweden gibt es in der Grundschule die sog. "elevtid" - das sind Stunden, in denen die Kinder selbst arbeiten und auch schon Hausaufgaben machen. Dabei ist aber schon ein Lehrer anwesend, der die Kinder unterstützt.

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HeikeBlekinge
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Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von HeikeBlekinge »

Gab/gibt es diese "lehrerfreie Gruppenarbeit" an schwedischen Schulen?
Von Deutschland kenne ich so etwas ähnliches. SOL = Selbst-Organisiertes-Lernen. Die Schüler erhalten am Schuljahresanfang Arbeitsaufträge zu bestimmten Themen mit einem vorgegebenen Stundenumfang, die sie in Ausfallstunden erfüllen sollen.
Ja, gibt es. Ich erlebe es aber nicht so, das man zu Anfang Arbeitsaufträge erhält, sondern das man eigenständig zu unterschiedlichsten Themen etwas ausarbeitet und dies anschliessend der Klasse vorstellt. Zwischendurch, nicht ständig. Oder dann, wenn diejenigen die langsamer begreifen oder arbeiten etwas "nachhängen".
Und nicht in allen Fächern: SO und Naturkundskap.
Fuer Schueler, die absolut keinen Bock haben zum lernen sind solche Aufgaben der blanke Hohn. So haben wir - tja wie soll ich das ausdruecken?!? - 1, 2 etwas "langsamere" Mitschueler (oder die haben keine Freude am lernen? Ich vermag das nicht immer zu beurteilen), die trotz 6 Schulstunden nicht in der Lage scheinen Material fuer einen Aufsatz ueber einen Planeten im Sonnensystem zusammenzutragen, geschweige denn mit eigenen Worten etwas zu verfassen. Die sitzen wirklich in der gut gefuellten Bibliothek, haben dort oder auch im Internet alle Informationen von denen man nur träumen kann direkt vor der Nase und "liefern" nachher einen "Dreizeiler" ab.
Andere Mitschueler wiederum sind fix und aufgeschlossen, lernbegierig und bestrebt weiterzukommen.
Die Lehrer nun sind grundheraus bemueht es jedem recht zu machen. Klappt auch ganz gut, aber oft merkt man ihnen den Frust an. Denn sie unterstuetzen natuerlich stets diejenigen die "langsamer" sind indem sie ihnen immer wieder zeigen wie sie nach Infos suchen und diese umsetzen können.... und trotzdem kommt nicht viel bei herum... manchmal tun sie mir echt leid: Die Lehrer!
Was halt anders ist:
Man lernt teilweise -oder viel - eigenverantwortlich an schwedischen Schulen. Und wer genug Eigenverantwortung und Willen besitzt, der lernt auch!
Da braucht niemand einen Pauker der vor einem steht und den Stoff runterpredigt. Selbsteinsatz ist gefragt. Wer den nicht besitzt oder den Willen dazu, der zieht den kuerzeren oder "ist seines eigenen Glueckes Schmied"?!
Die Lehrer und Lehrmethoden können meiner Ueberzeugung nach - und nachdem was ich in den letzten Monaten mitbekommen habe - NICHT schuld an irgendeinem Versagen sein. Das liegt am Einzelnen selbst.

Beispiel: Eine neue Mitschuelerin seit Januar (30 Jahre, junge alleinerziehende Mutter) mosert uber die andere Mitschuelerin mit der sie immer gemeinsam zur Schule fährt. Diese hat wohl verschlafen und hat auf ihren Anruf hin recht "sch...ssegal" reagiert: "Dann wäre sie eben krank und käme heut nicht"
Die Neue: "Wie kann man nur so bek l o p p t sein diese Gelegenheit, die Chance die einem geboten wird nicht wahrzunehmen? Etwas aus seinem Leben zu machen?"

Ich frag mal so:
Muessen heutzutage Schueler, Kinder, Jugendliche erst 30 Jahre und alleinerziehend werden um ENDLICH zu kapieren das sie selbst verantwortlich fuer ihr Leben, ihr Lernen, ihre Zukunft sind? Egal ob in Schweden oder in Deutschland - da beisst sich die Maus den Schwanz nicht ab, denke ich.
An was fehlt es eigentlich, das dieses Denken "normal" wird!?

LG
Heike
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Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von Imrhien »

Hej Heike,
ich gebe Dir recht. Daran krankt das System. Das tolle geliebte und gelobte schwedische System hilft nichts wenn die Schüler einfach nicht den Sinn des Lernens kennen oder verstehen. Und in diesem Fall wäre ein Anreiz gut. Ob der so ausssehen muss wie im schlechten und strengen und bösen deutschen System mag dahin gestellt sein. Ich bin auch kein Fan des dreigliedrigen Systems und finde auch nicht alles in deutschen Schulen schlecht. Ich habe aber da auch die Schuldbahn durchlaufen und so schlecht wie die Schulen und Lehrer hier meist dargestellt werden habe ich es nie erlebt. Weder selbst noch bei Freunden noch bei Familie in Bayern. Manches war vielleicht nicht so schön aber zumindest bei mir nie so wie hier geschildert. Vom schwedischen System kenne ich bisher nur ein paar Schulen von innen, und auch eher aus der Sicht der Lehrerin oder der Begleitung von Schülern. Ich behaupte aber mal, dass ich einen recht guten Einblick habe. Derzeit besuche ich 3 mal die Woche für mehrere Stunden schwedischen Unterricht. Und davor waren es gar mehr Stunden. Vieles an dem System hier gefällt mir. Aber mindestens ebenso vieles nicht. Schüler die von daheim her und auch in der Schule nicht gelernt haben zu lernen, werden nicht plötzlich zu Musterschülern weil sei freie Arbeit haben. Das geht nach hinten los und dieser Schüler lernt garantiert gar nichts dabei. Ausser sich zu drücken vielleicht.
Das System kann nur so gut sein wie die Lehrer die es rüber bringen und die Schüler die entsprechende Fähigkeiten und Motivation mitbringen müssen. Ohne die bringt das tollste Schulsystem nur noch bedingt was.
Ich finde es erschreckend, dass die Schüler in der 8. Klasse plötzlich erschrecken und merken, dass sie Noten brauchen und lernen wollen. Bis dahin haben sie verlernt zu lernen oder es fehlen ihnen im schlimmsten Fall die Grundkenntnisse auf die sie aufbauen müssten.
Natürlich sind nicht alle schwedischen Schüler so schlecht und natürlich ist das System nicht nur schlecht.
Was die Notwendigkeit des Wissens das man in Deutschland lernt angeht, ich frage mich halt wie die schwedischen Studenten im Vergleich dan der Uni abschneiden. Denn da sollten sie ja die Kenntnisse besitzen. Und die Frage ist was mit denen passiert die eben nicht studieren gehen aber trotzdem stolz auf ihr "Abi" sind. Nicht jeder Gymnasiumsabschluss hier ist mit dem Abi in Deutschland vergleichbar. Das ist etwas was auch viele vergessen und stolz berichten, dass ja in dem tollen System hier so viele ans Gymnasium gehen. Ich finde das gar nicht mal schlecht. Man muss sich nur bewusst sein, dass sie dadurch nicht wirklich schlauer sind.

Grüße
Wiebke

tilmann

Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von tilmann »

Imrhien hat geschrieben: ich frage mich halt wie die schwedischen Studenten im Vergleich dan der Uni abschneiden. Denn da sollten sie ja die Kenntnisse besitzen.
Meine Freundin arbeitet als Linguistin an der Stockholmer Uni und sie ist zufrieden mit den StudentInnen, d.h. es gibt hinsichtlich des Wissenstands wohl keine großen Unterschiede. Sie ist allerdings von den Vortragsfähigkeiten begeistert, nicht nur, wenn es um vorbereitete Referate geht sondern auch, wenn es um die Beteiligung im Seminar geht.
Bei ihren schwedischen KollegInnen fällt ihr auf, dass sie besonders gut konstruktive Kritik äußern können und nicht Kritik dazu nutzen, sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken. Vielleicht liegt das auch am Schulunterricht?

Grüße,
Tilmann

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Imrhien
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Re: Erziehung, Schule in Deutschland und Schweden

Beitrag von Imrhien »

Hej Tilmann,

das klingt doch gut. So wie man sich das wünscht. Mein Frage hatte sich aber eher darauf bezogen wie die Schweden im Ausland an der Uni abschneiden. Denn erst da zeigt sich ja wie gut ihr Schulsystem im Ganzen dann ist. Dabei muss man auch bedenken aus welcher Generation die Studenten sind. Wir reden hier ja meist von Schülern die jetzt zur Schule gehen. Da darf man eigentlich niemanden als Beispiel heranzitieren der das vor 10-20 Jahren getan hat und heute erfolgreich studiert ist. In den letzten Jahren hat sich hier vieles geändert und manches zum Schlechten. Manches soll sich ja auch wieder ändern. Die Ergebnisse sieht man leider erst nach vielen Jahren. Meine Frage hat sich auch hauptsächlich auf Mathe bezogen. Ich weiss schon aus Deutschland, dass es da enorme Unterschiede gibt und dass Studenten der Mathematik aus manchen Bundesländern einfach mehr Probleme haben als andere, sie müssen mehr auffholen. Die fangen ja in der Regel einfach an an der UNi. Das Tempo ist aber enorm und wer da entsprechende Lücken har aus der Schulzeit muss eben mehr nacharbeiten. Von einer Marhelehrerin hier in Schweden weiss ich, dass sie Stoff in der 11 Klasse durchnimmt den sie früher (vor etwa 5 Jahren) in Deutschland in der 8-9 Klasse gemacht hatte. Das ist ein enormer Unterschied. Da hilft es nur noch bedingt, dass man gelernt hat selbständig zu lernen. Aber das muss ja auch nicht in allen Matheklassen in Schweden so sein :)

Grüße
Wiebke

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