Beitragvon Volker » 4. Juni 2008 09:10
Hallo Dorothee,
ich sollte vielleicht erklären, warum ich mich damals zugegebenermaßen ziemlich über diesen Film aufgeregt habe.
Zum einem hatten wir es ganz anders angepackt (als im Film dargestellt wurde). Wir waren damals noch in Deutschland mitten in der Vorbereitungsphase des Auswanderns, die sich über 3 Jahre hingezogen hatte. Vorher hatten wir unser Schwedisch intensiv aufpoliert, büffelten Grammatik, schauten uns schwedische Filme auf DVD an, hörten schwedisches Radio übers Internet. Wir sind zu Vorstellungsgesprächen angereist, die scheiterten (eins wurde auf der Fahrt dorthin per Handy abgesagt), sind mehrmals nach Schweden geflogen, Mietwagen genommen, haben ganz Östergötland abgeklappert und waren bei ungezählten Hausbesichtigungen, bis uns dann das ganze Schweden fast zum Hals raushing, bis wir uns dann hier dann doch für die Kleinstadt Finspång entschieden hatten, wo wir dann endlich ein Haus gekauft hatten, mit unseren beiden Katzen und einem Möbelwagen voll Krempel hinzogen sind aber noch keine Jobs hatten. Das Risiko sind wir eingegangen, wussten aber, dass der Arbeitsmarkt hier hervorragend aussah. Damals hatte ich bereits als selbständiger Softwareschulungen in ganz Deutschland und Europa abgehalten, da war es eigentlich fast egal, wo ich wohne, allerdings war ich nicht 100% sicher, wie das meine Kunden auffassen würden. Aber es war dann kein Problem hier eine Firma zu gründen und meine Stammkunden hatten das dann auch akzeptiert. Vielen fanden das sogar spannend. Schließlich ist die Rechnung dann für meine Frau und ich dann doch "planmäßig" aufgegangen und so langsam schleicht sich die Alltagsroutine eine. Abenteuer wollten wir überhaupt nicht, sondern Ruhe. Und hier geht es wirklich gemächlicher zu.
Zum Anderen hatte ich zusammen mit meiner Frau bis Mitte der 90er Jahre etwa 7 Jahre lang eine eigene kleine Filmproduktionsfirma für Werbung und Auftragsfilme der Industrie, recht erfolgreich, ein nationaler Filmpreis sprang auch dabei heraus (Ich will hier nicht angeben, nur sagen, dass wir was davon verstehen oder verstanden haben). Damals war Internet unbekannt und Film war noch was, womit man die Leute hinterm Ofen hervorlocken konnte. Um so mehr hat uns dann die oberflächliche Machart solcher Auswandererfilme entsetzt. Außerdem können wir uns recht gut vorstellen, wie es beim Dreh zugegangen ist. Drehen ist für alle eh schon Stress, viele der "Nebendarsteller" lassen sich nicht gerne filmen, einige benehmen sich exaltiert, andere sind schüchtern oder verkrampfen vor der Kamera. So ein Filmteam ist ja eh schon eine große Ausnahmesituation und dann kommt noch die besondere Situation der Auswanderung hinzu. Ich kann mich nur noch dunkel an den Film erinnern, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit mussten einige Szenen mehr oder weniger gestellt und geprobt werden, weil sie sonst so alleine rein technisch nicht machbar gewesen worden wären. Mit Dokumentation im strengen Sinne hat das nichts zu tun. Hauptsache der Film wird vom Auftraggeber abgenommen (technisch, inhaltlich, handwerklich), die Einschaltquote stimmt, der Zielgruppe gefällts und die Serie wird nicht abgesetzt. Zu teuer darfs auch nicht werden. Das Geschäft war früher knallhart und ist es heute bestimmt noch mehr.
Eine filmische Langzeitdukomentation über Auswanderer wäre bestimmt viel interessanter, aber wer lässt sich darauf ein, hält das durch und vor allen Dingen wer bezahlt das und schaut sich das an. Außerdem bietet das Internet mittlerweile dafür viel mediengerechtere (und vor allen Dingen kostengünstigere) Möglichkeiten wie Webblogs, Foren und Internettagebücher. Tiderna har förändrats!